Last updated on 2024-02-18
Ich bin als Erzieherin in einer Kita in einer deutschen Großstadt beschäftigt. Die Kita bietet Betreuung von 7 – 18 Uhr. Ich arbeite in Teilzeit, 30 Stunden an 5 Tagen pro Woche.
Ich liebe meine Aufgabe.
Das hört sich erstmal gut an. Jedoch:
Im Team bin ich die einzige alleinstehende Frau ohne Kinder. Die alljährliche Debatte über Urlaub in den Schulferien kenne ich schon. Urlaub außerhalb der Ferienzeiten zu haben ist für mich in Ordnung – hat auch gewisse Vorteile.
Die berühmte Personaldecke ist bei uns dünn. Es sind grundsätzlich einfach nicht genügend Leute da. Wenn einer fehlt, was öfter vorkommt, wird es kritisch – insbesondere am Morgen und gegen Abend. Die Chefin fragt mich dann sehr oft, ob ich länger bleiben oder früher kommen kann.
Ihr Anliegen kann ich verstehen aber ihre Argumentation macht mich wütend:
„Du hast keine Kinder und bist daher flexibel. Außerdem kannst du als Teilzeitkraft die zusätzlichen Stunden verkraften oder sogar gut gebrauchen.“
Ich habe mich bewusst für Teilzeitarbeit und damit ein geringeres Einkommen entschieden, um jetzt freie Zeit zu haben für Dinge, die später vielleicht nicht mehr möglich sind. Ich benötige derzeit kein großes Einkommen. Freie Zeit ist mir wichtiger. Hat das keine Bedeutung?
Meistens gehe ich dennoch auf den Wunsch meiner Chefin ein. Ich spüre Loyalität gegenüber dem Team und den Kindern bzw. Eltern. Auch habe ich – durch die Art, wie meine Chefin mich fragt – Angst, ich könnte meinen Job verlieren, wenn ich nicht bereit bin, morgens und abends einzuspringen.
Warum ist mir diese Geschichte wichtig?
Ich denke, ich habe das Recht, mein Leben so zu gestalten, wie ich es möchte. Meine Vorgesetzte muss respektieren, dass ich mich bewusst für eine Teilzeitstelle entschieden habe. Es ist nicht fair, dass sie vor allem von mir fordert, Früh- bzw. Abenddienste zu übernehmen, weil ich nur in Teilzeit arbeite und keine Kinder habe. Dann könnte ich auch in Vollzeit arbeiten, was ich jedoch nicht möchte.
Werde ich diskriminiert?
Ich fühle mich von meiner Vorgesetzten und den Kolleginnen ausgenutzt und übergangen.
Auf die Freizeitwünsche der Kolleginnen wird im Rahmen der Möglichkeiten immer Rücksicht genommen – nur auf meine nicht.
Welche Wirkung hat dies auf mich?
Ich fühle mich als Außenseiter – ohne Respekt und Achtung von meiner Vorgesetzten und dem Team. Meine Enttäuschung blockiert mich oft, so dass ich dann nicht meine volle Kompetenz einbringen kann. Das tut mir dann jedes Mal schrecklich leid, sowohl für die Kinder als auch die Eltern. Ich kann es nur zu gut verstehen, wenn sie dann mit der Kita unzufrieden sind und sich vielleicht auch umorientieren. Ich überlege auch, ob ich die Kita verlasse. Die Personalsituation in der Kita würde dadurch noch schlechter und Ersatz kostet viel Zeit und Geld.
-> ERGÄNZUNG: Februar 2024
Das Hamburger Abendblatt berichtet: Hamburger Kita kürzt wegen Personalmangels die Betreuungszeit von zehn auf neun Stunden
Die Reduzierung der Betreuungszeiten trifft arbeitende Frauen. Unsere Geschichte oben ist exemplarisch für viele. Es gibt viele Grunde für Personalmangel. Der respektlose Umgang mit Arbeitszeiten ist bestimmt einer davon.
ACHTUNG:
Diskriminierung ist nicht nur Unrecht und unethisch, sondern auch schädlich.
Respekt am Arbeitsplatz ist ein unternehmerischer und gesellschaftlicher Erfolgsfaktor.
Wir haben ein anderes Beispiel:
Lichtblick in der U-Bahn in Berlin